Rückblick auf eine „alternativlose“ Politik. Was prägte die Zeitspanne von 2005 bis heute? Unter Frau Merkels langer Regierungszeit…
…wurden zwei Kernenergiewenden in sechs Monaten durchgeführt. Nach intensiver Sicherheitsüberprüfung aller Anlagen wurde im Oktober 2010 im Bundestag beschlossen, die Laufzeit von 7 Anlagen um 8 Jahre und von 10 Anlagen um 14 Jahre zu verlängern und dann die Kernenergie zu beenden. Das Gesetz trat im Dezember 2010 in Kraft. Mit ihm sollte ein geordneter, bezahlbarer Übergang zu regenerativer Energieerzeugung erreicht werden. Sechs Monate nach dieser Verlängerung und nur drei Tagen nach der Havarie von Fukushima am 11. März 2011 – ausgelöst durch einen Tsunami und der damit einhergehenden Überflutung der Anlage mit bis zu 13 Meter hohen Flutwellen – beschließt Frau Merkel blitzartig eine populistische Kehrtwende in der Energiepolitik und den Ausstieg Deutschlands aus der Kernenergie. Ohne Einschaltung von Fraktion und Parlament, ohne vorherige Abklärung der Rechtsgrundlage und ohne jede Gefahr, dass in Deutschland ein ähnliches Ereignis wie in Japan stattfinden könnte, wurden 7 Anlagen sofort vom Netz genommen (drei monatiges Atom – Moratorium). Am 22. März wurde von der Bundeskanzlerin eine „Ethikkommission für eine sichere Energieversorgung “ eingesetzt, um technische und ethische Aspekte der Kernenergie zu prüfen, einen gesellschaftlichen Konsens zum Atomausstieg vorzubereiten und Vorschläge für den Übergang zu erneuerbaren Energien zu erarbeiten. Nach Diskussion der Ergebnisse folgte im Juni 2011 der Bundeskabinettsbeschluss zur Abschaltung aller Anlagen bis 2022.
Mit dem Moratorium am 14. März nutzte Frau Merkel geschickt den Geist der Zeit und traf reflexartig, risikoreich und absolutistisch wieder einmal eine für Deutschland folgenschwere Entscheidung die zu einer beschleunigten Beendigung der Kernenergienutzung führte. Als ehemalige Bundesministerin für Umwelt und Reaktorsicherheit (1994 bis 1998) war ihr klar, dass der Tsunami in Japan nicht zu einer geänderten Sicherheitseinschätzung der deutschen Reaktoren führen konnte, zumal die Regierung noch sechs Monate vorher das hohe Lied der Sicherheit deutscher Kernenergieanlagen in den Medien gesungen hat.
Eine Klagewelle war die Folge. Das Bundesverfassungsgericht stellte Ende 2016 fest, dass die Laufzeitverkürzung keine Enteignung darstellt, aber Recht auf Eigentum verletzt wurde und Ausgleichsansprüche der Energieversorger bestehen. Im Juni 2017 erklärte das Verfassungsgericht die von 2011 bis 2016 erhobene Brennelementsteuer für nichtig und verpflichtete den Bund zur Rückzahlung der eingenommenen Steuer von 6,3 Mrd. €.
Wieder einmal glaubte die deutsche Politik, Trendsetter zu sein und es der Welt zeigen zu müssen, glaubte, dass die Welt dem deutschen Beispiel folgen würde und wurde enttäuscht allein zurückgelassen. Kein Land folgte dem deutschen Vorgehen. Japan hat drei Anlagen wieder in Betrieb genommen und für 25 Anlagen die Verfahren mit voraussichtlichen Terminen für die Wiederinbetriebnahme abgeschlossen. Selbst Schweden, das Land mit dem ersten Ausstiegsbeschluss (1980) hat ihn 2010/2016 aus Gründen der Versorgungssicherheit und der Verbesserung der Umweltbedingungen wieder aufgehoben. Bis zu 10 neue Anlagen können nach und nach alte Reaktoren ersetzen. Weltweit gingen 2016 10 neue Anlagen in sechs Ländern erstmals in Betrieb. Damit sind 450 Kernkraftwerke in Betrieb (EU 128 KKW) bzw. betriebsbereit (japanische Anlagen), so viele wie in keinem Jahr zuvor. In 15 Ländern befinden sich 65 Anlagen in der Errichtung und 125 Anlagen befinden sich weltweit in der Planung. In 2016 gab es weltweit einen Leistungszuwachs von 2 % auf nunmehr 418 GW Kraftwerksleistung. Die Zahlen belegen kein starkes Wachstum der Kernenergie in der Welt, zeigen aber einen weiterhin auf Ausbau ausgerichteten Trend, der sich weitgehend in den Ländern Asiens vollzieht. Die nächsten Jahre und Jahrzehnte werden zeigen, ob die Welt auf den CO2 freien Energieträger Uran, auf Kernenergie verzichten kann, oder ob der steigende Energiehunger der wachsenden Weltbevölkerung ihn unverzichtbar macht.
In Deutschland hat die opportunistische, überhastete, planlose doppelte Energiewende von Angela Merkel die ein halbes Jahr vorher gesetzlich verankerte ausgewogene Energiewende mit einer 10 jährigen längeren Brückenfunktion der Kernenergie zunichte gemacht (Ende der Kernenergie 2032, anstatt wie jetzt 2022). Damit ist die Ausgewogenheit des Übergangs auf erneuerbare Energien zwischen den einzelnen Energieträgern verloren gegangen. Die Folgen sind enorme Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Energiewende (politische, planerische, genehmigungsrechtliche, technische), bedeutend höhere Kosten für Stromkunden, eine stärkere Umweltbelastung durch den vorgezogenen Wegfall der CO2 freien Kernkraft (CO2 Vermeidung pro Anlage ca.9 Mio.t pro Jahr) und eine Gefährdung der international vereinbarten umweltpolitischen Ziele Deutschlands. Eine weitere Folge ist der komplette Verlust des über ein halbes Jahrhundert in Deutschland aufgebauten Wissens zur Kerntechnik und der Verlust des Know how zur Errichtung und des Betriebes von Kernkraftwerken. Es ist die endgültige Verabschiedung Deutschlands aus einer Zukunftstechnologie und einem weltweiten Wirtschaftszweig. Die Zukunft wird zeigen, ob der Weg Deutschlands richtig war.
Ein paar Daten zur Kernenergie in Deutschland:
- 17. Juni 1961 Beginn der Stromerzeugung aus Kernenergie, erste Stromeinspeisung aus dem Versuchsatomkraftwerk Kahl.
- Betriebserfahrung rund 820 Reaktorbetriebsjahre
- Stromerzeugung ca. 5200 Milliarden KWh ; knapp das neunfache der heutigen jährlichen Stromproduktion. Höchster Jahreswert 171,3 Mrd. KWh in 2001; 2016 84,6 Mrd. KWh mit 8 KKW
- 34,2 Prozent höchster Anteil an der nationalen Stromversorgung 1989
- Jahr für Jahr vorderste Platzierungen mehrerer deutscher Anlagen unter den zehn besten Anlagen der Welt. Seit 1980 ging 29 mal der Titel „Kernenergieweltmeister“ in der jährlichen Stromerzeugungsmenge (bis 12 Mrd. KWh) an eine deutsche Anlage. Es ist ein Ausdruck hoher Sicherheit, Verlässlichkeit und Produktivität. http://www.kernenergie.de/kernenergie/presse/pressemitteilungen/2014/2014-05-05_Kernkraftwerksbilanz_international_2013.php Zum Vergleich: 2016 betrug der gesamte Energieverbrauch Hambugs 12,2 Mrd. KWh. http://www.energieportal-hamburg.de/distribution/energieportal/,
- Vermeidung von über 5 Milliarden Tonnen CO2. Dies entspricht der Emission Deutschlands von rund sechs Jahren.
- Gesamter vorhandener und noch anfallender hochradioaktiver Abfall: 10 500 t bestrahlte Brennelemente (Schwermetall) und 291 Behälter mit Glaskokillen aus der Wiederaufarbeitung. Verpackt in ca. 1340 Castoren entspricht dies einem Gesamtvolumen (Abfall und Verpackung) von 38 000 m³ (Würfel mit Kantenlänge von ca. 33,5 Metern) entspricht. http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Nukleare_Sicherheit/nationales_entsorgungsprogramm_bf.pdf
- Abschaltung der letzten acht Anlagen: Gundremmingen B E 2017, Philippsburg 2 E 2019, Gundremmingen C, Brokdorf, Grohnde, E 2021, Neckarwestheim 2, Isar 2, Emsland E 2022, http://www.bmub.bund.de/themen/atomenergie-strahlenschutz/nukleare-sicherheit/aufsicht-ueber-kernkraftwerke/kernkraftwerke-in-deutschland/ Jede Anlage die bis 2022 abgeschaltet wird, produziert pro Jahr fast so viel Strom wie die Millionenstadt Hamburg pro Jahr an Strom benötigt. Als hochradioaktiver Abfall fallen pro Anlage und Jahr dabei ca. 25 Tonnen bestrahlte Brennelemente an, die in 2,5 Castoren verpackt werden (5 Castoren in 2 Jahren). http://www.kernenergie.de/kernenergie-wAssets/docs/presse/PM-2015-01-22_KKW-Betriebsergebnisse_2014.pdf ; http://www.kernenergie.de/kernenergie-wAssets/docs/presse/PM-2016-01-21_KKW-Betriebsergebnisse_2015.pdf; http://www.kernenergie.de/kernenergie-wAssets/docs/presse/Betriebsergebnisse-KKW-2016.pdf;
Der nächste Artikel befasst sich mit der Umweltpolitik.
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