Rückblick auf eine „alternativlose“ Politik. Was prägte die Zeitspanne von 2005 bis heute? Unter Angela Merkels langer Regierungszeit

…wurde eine Umweltpolitik praktiziert die im Ergebnis nur eine bescheidene Reduktion der Treibhausgasemission zur Folge hatte. Das Ergebnis steht nicht im Einklang mit dem steten Selbstlob und  der beanspruchten Vorreiterrolle Deutschlands in der Welt.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hatte im Vorfeld der internationalen Klimakonferenz in Paris 2015 die deutschen Klimaschutzziele dargelegt und in typisch deutscher Manier der Welt verkündet  „Deutschland kann vorangehen und andere Staaten mitziehen, damit es der Weltgemeinschaft gelingt, das 2-Grad-Ziel einzuhalten.  Die Broschüre  http://www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Pools/Broschueren/klimaschutz_in_zahlen_bf.pdf , präsentiert die Klimapolitik in ihrer ganzen Vielfältigkeit mit Zahlen, Daten und Informationen. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre. Dr. Barbara Hendricks“

Und die Realität ist wie immer sehr ernüchternd. Das 2014 festgelegte deutsche Klimaschutzziel bis 2020 die Treibhausgasemission um 40 Prozent  gegenüber der Emission von 1990 auf dann 751 Mio. t / Jahr  zu reduzieren, läuft Gefahr nicht erreicht zu werden. Noch stärker gilt dies für das langfristige Emissionsziel bis 2050 (Broschüre Seite 26).

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass unter Angela  Merkels Regierungszeit  in 11 Jahren von 2005 (Ausstoß 991 Mio.t CO2) bis Ende 2016 (Ausstoß 906 Mio. t CO2) die jährliche Emission nur um 85 Mio. t verringert wurde und dies bei einem enormen Kapitaleinsatz. Um das zuvor genannte Ziel zu erreichenmüsste nun in nur vier Jahren die Emission um 155 Mio. t reduziert werden, was völlig unrealistisch ist. Mehr Realismus und Ehrlichkeit gegenüber der Bevölkerung wäre angebracht.

Auch wird gerne unter den Teppich gekehrt, dass rund 60 % der bislang erreichten CO2 Reduzierung dem Bezugsjahr 1990 zu verdanken ist. Nach der Wiedervereinigung erfolgte im großen Stil die Stilllegung der alten unwirtschaftlichen und umweltschädlichen DDR-Kraftwerke, Industrieanlagen und Kraftfahrzeuge. Von 1990 (1251Mio. t CO2)  bis 2000 (1042 Mio. t CO2)  verringerte sich so der CO2-Ausstoß um beachtliche 209 Mio.t  pro Jahr, ein Segen für Mensch und Umwelt.

Bei der Pro-Kopf-Emission der 28 EU Staaten liegt  Deutschland mit 11,1 t CO2  auf dem miserablen  fünftletzten Platz. Vorne liegen Staaten mit ungefähr der Hälfe des deutschen Ausstoßes, wie Schweden, Rumänien, Lettland etc., gefolgt von Frankreich, Italien, Großbritannien mit 7- 8 t CO2 pro Kopf der Bevölkerung.( https://www.umweltbundesamt.de/daten/klimawandel/treibhausgas-emissionen-in-der-europaeischen-union#textpart-2 (Werte von 2014; 2016: 11,2 t pro Kopf, da 6 Mio.t höhere Gesamtemission)

Setzt man die Treibhausgas – Emission mit der Wirtschaftsleistung in Form des BIP ins Verhältnis, sieht es etwas besser aus. Aber auch hier liegt Deutschland mit rund 300 t CO2 Äquivalent pro Mio. BIP  nur im Mittelfeld. Schweden, Dänemark, Frankreich, Großbritannien etc. sind mit 130 bis 220 t CO2 pro BIP Äquivalent wesentlich umweltfreundlicher.( https://www.umweltbundesamt.de/daten/klimawandel/treibhausgas-emissionen-in-der-europaeischen-union#textpart-3 ) Auch in der weltweiten Betrachtung schneidet Deutschland nur mäßig ab. Bei der Gesamtemission hält Deutschland mit 906 t Treibhausgasen den unrühmlichen 6. Platz. In gerundeten  Werten beträgt die Treibhausgasemission  in Mio. t pro Kopf in Australien 33, in USA und Russland 19, in Japan und Deutschland 11, in der EU 10 und China 9. Beim Vergleich mit der Wirtschaftsleistung liegt Deutschland mit den zuvor genannten ca. 300 t CO2 pro 1Mio. BIP gleichauf wie die USA.  Der ermahnende Ton vieler deutscher Politiker und der Medien gegenüber den USA erscheint bei diesen Zahlen in einem ganz anderen Licht und die vor dem Gipfel in Hamburg von Frau Merkel betriebene opportunistische, wahlkampffördernde Panda – Kuscheldiplomatie mit China war völlig unangemessen. China ist kein „Umweltengel“ sondern  mit einem Drittel der gesamten weltweiten Treibhausgasemission der mit Abstand größte Umweltverschmutzer der Welt (siehe weiter unten).

Gründe für die schlechte Umweltbilanz Deutschlands sind u.a. die völlig verfehlte Verkehrspolitik mit Vorrang des Straßentransports und der nach der zweiten Energiewende 2011 beschlossene um 10 Jahre schnellere Ausstieg aus der CO2 freien Kernenergie. Von 2005 bis 2014 ist die Emission im Straßenverkehr  um 4 Mio. t auf 164 Mio. t gestiegen und trägt nun mit rund 18 % zur Gesamtemission bei. Das Bild sähe noch verheerender aus, wenn der reale Spritverbrauch und damit der reale Ausstoß von CO2 und Stickoxiden der Autos berücksichtigt würde. Wie jedermann weiß, ist der von der Autoindustrie angegebene Verbrauch eine reine „Schnapszahl“, die über genormte Größen wissentlich  nach unten getrickst wird um die Abgasnormen der EU einzuhalten. Und der Stickoxid – Dieselskandal setzt noch eins oben drauf. Die deutsche Emissionsbilanz wird noch weiter in die Knie gehen, wenn der Anteil der Dieselfahrzeuge auf Deutschlands Straßen, der derzeit bei 32 % liegt,  infolge des Skandals sinkt und nicht durch E – Autos sondern durch Benziner mit ihren um 20 % höheren Treibstoffverbrauch ausgeglichen wird. Regierung, Bundesverkehrsministerium und Bundeskraftfahrzeugamt erhalten jetzt die Rechnung für eine zu enge Bindung zur Autoindustrie und für eine von der Autolobby getriebene Verkehrspolitik. Nirgends in der sonstigen Industrie ist der Personalaustausch zwischen Politik und Konzernen so intensiv wie bei den deutschen Autoherstellern. Ausdruck hierfür ist der seit Jahrzehnten praktizierte Wechsel hochrangiger Politiker auf gut dotierte Posten in dieser Branche. Die scharfe Grenze zwischen legal und illegal wird dabei aufgeweicht.

… wurde zu wenig getan, damit Deutschland auch in Zukunft vorne mitspielen kann. Die Solarindustrie hat in Deutschland Dank politischer Fehlsteuerung von immensen Steuergeldern durch das EEG Gesetz ihre globale Wettbewerbsfähigkeit verloren und spielt heute keine Rolle mehr. Bei der E- Mobilität, der Speicherung von Energie, der besseren Verteilung von Sonnen – und Windenergie durch Nord- Südtrassen, der Verlagerung von Frachtgütern auf die Schiene, der stärkeren Nutzung von Wasserwegen, etc. hat die Politik jahrelang falsche Akzente gesetzt und der Industrie keine klaren, langfristig belastbare Rahmenbedingungen vorgegeben. Hier kommt in der nächsten Legislaturperiode viel Arbeit auf die dann amtierende Regierung zu. Sie muss beweisen, dass sie die Umwelt nicht nur schön reden kann, sondern die ökonomischen und ökologischen Rahmenbedingungen so zu setzen versteht, dass die notwendigen Großprojekte (Stromautobahnen, große Energiespeicher, Backup Kraftwerkspark, neue Bahntrassen, großes Netz von E- Mobil – Ladegeräte, flächendeckendes  Netz von Breitbandkabel, Entlastung der Städte von durchfahrenden Schwerlastverkehr, etc.) auch real in Deutschland umgesetzt werden können, nicht in Jahrzehnten sondern in Jahren. Sie muss belegen, dass sie die deutsche Selbstverpflichtung unter dem Pariser Umweltabkommen auch erfüllen kann.

Deutschland als Vorreiter in Umweltbelangen darzustellen ist eine der Bevölkerung gern verkaufte Mär um im Eigeninteresse Wählerstimmen zu erhalten und um bei der Bevölkerung weiterhin kritiklos ein weit geöffnetes Portemonnaie für Umweltausgaben vorzufinden. Die Überprüfung des Pariser Umweltabkommen in 2023 wird zeigen wie gut Deutschland seine Hausaufgaben bis dahin gemacht hat. Vielleicht sind wir wieder Spitze, vielleicht haben wir uns bis dahin aber auch in den komplizierten von Lobbyisten getriebenen Regelwerken produktivlos verfangen?

Pariser Klimaschutzabkommen

Der internationale Klimavertrag vom 12. 12. 2015 / Inkraftsetzung  am  4. Nov. 2016 ist mit fast 200 Unterzeichnerstaaten ein riesen Erfolg auf dem Weg zu einer saubereren Luft und weniger belasteten Umwelt. Als langfristiges Umweltziel wurde vereinbart die Erderwärmung deutlich unter 2 Grad Celsius gegenüber dem Beginn der Industrialisierung  (um 1850) zu begrenzen. Ein anspruchsvolles Ziel, das nur bei konsequenter langfristiger Zielarbeit und Zielüberprüfung zu erreichen ist, zumal die globale Mitteltemperatur bereits um 0,8 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau liegt.

Gerade hier hat das Umweltabkommen aber erhebliche Schwächen. Der Vertrag ist sehr weich verfasst, die Umweltziele beruhen ausschließlich auf freiwilligen Selbstverpflichtungen der Staaten und dem Vertrag fehlt die stringente Zielverfolgung gerade in den ersten Jahren. Erst 2023 und dann alle 5 Jahre soll die Einhaltung der Selbstverpflichtungen überprüft werden. Auch gibt es keine rechtlich bindende Sanktionselemente im Vertrag die bei Nichterfüllung der Selbstverpflichtungen eingesetzt werden können. Die Europäische Union hat als Beitrag für das Pariser – Abkommen beschlossen, ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Sie nimmt damit eine internationale Vorreiterrolle ein.

Die Entscheidung Donald Trump aus dem Pariser Umweltvertrag auszusteigen ist enttäuschend. Dennoch war die Überreaktion vieler deutscher Politiker, die Drohungen, der mahnende deutsche Zeigefinger gegenüber den USA und die Trotzreaktion, China nun als „Umweltvorbild“ darzustellen völlig unangebracht und Wahlkampfgetöse aller Parteien. Trump ist nicht die USA, wie man an seinen gescheiterten Gesetzesvorlagen und den gegen ihn eingeleiteten Untersuchungen sehen kann. Vielmehr spricht vieles dafür, dass, wie US – Außenminister  Rex Tillerson in einer ersten Reaktion auf die Entscheidung von Trump sagte, die Umweltbemühungen der einzelnen Staaten in Zukunft nicht zurückgefahren werden und die erfolgreiche  Bilanz der letzten Jahre bei der Reduzierung von Treibhausgasemissionen fortgesetzt werde. Auch ist der Ausstieg der USA aus dem Abkommen nicht so schnell zu bewerkstelligen. Nach Jean  Claude  Juncker  „wäre der Ausstiegsprozess erst im November 2020 abgeschlossen – pünktlich zur nächsten US-Präsidentschaftswahl“ und da ist dann alles wieder offen.

Da man die von Trump getroffene Entscheidung z.Z. nicht ändern kann, ist es besser sich mit seinen Argumenten zu befassen und zu versuchen die USA im Boot zu halten. Die strikte Ablehnung von Gesprächen und Verhandlungen, wie es u.a. auch Deutschland vertritt, könnte langfristig im Sinne der Umwelt kontraproduktiv sein.

Trump sieht in dem Pariser Abkommen China und Indien besonders bevorteilt. Für die USA  sei das Pariser Abkommen „sehr unfair“ und bedeute eine Umverteilung des Wohlstands auf Kosten der USA.

Die Selbstverpflichtungen der einzelnen Länder werden nach Kriterien, wie Verantwortung, Fähigkeit, Kosten etc. in  „Fair Emission Range“ beurteilt  http://climateactiontracker.org/countries/china.html  und sehen für einige Länder wie folgt aus:

Fair Emission Range (Medium) nach Pariser Abkommen  in Mrd. t CO2

Land                      2020                    2030

China                  7 bis 16               4,4 bis 14

USA                    2 bis 6                 – 2 bis 6

Indien                  2 bis 4,5              2 bis 6,5

EU                       1 bis 4                 -2 bis 3,8

Ein Blick auf die Selbstverpflichtungswerte bis 2030 und die aktuelle

Treibhausgasemission 2016

Land         in Mrd.t      pro Kopf Mio. t      pro 1 Mio. BIP$    weltweit in %

China         10,4                  9,3                          880                             28,2

USA             5,4                 19,4                          278                             15,9

D                  0,91                11,2                           270                              2,2

Welt            ca. 35

zeigt, dass China in der Tat für sich ein sehr gutes Ergebnis erzielt hat,  aber ein weniger Gutes für die Umwelt. Nach der Selbstverpflichtung kann China bis 2030 die Treibhausgasemissionen sogar noch um mehrere Mrd. t erhöhen um ein nach dem  „Fair Emission Range“ des Pariser Abkommens noch „zufriedenstellendes“ Ranking zu erhalten. Im Vergleich zur EU wird China bis 2030 eine um den Faktor 3,5 höhere Emission zugestanden, um noch im selben Ranging –  Bereich zu liegen.  http://climateactiontracker.org/countries/eu.html

Die Größenordnung der chinesischen Emission wird deutlich, wenn einem bewusst wird, dass China in 2015 mit 10,4 Mrd. t CO2 für ein Drittel der gesamten weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich war. Von 2011 bis 2015 erhöhte sich die Emission in China um unglaubliche 1,37 Mrd.t wogegen sie sich in den USA im selben Zeitraum um 602 Mio.t. auf 5,4 Mrd. t verringerte.  Die weltweite Emission lag 2016 bei ca. 35. Mrd.t CO2.

In den letzten Jahrzehnten hat China eine radikale Industrieexpansion zu Lasten der Umwelt und der Gesundheit der Menschen betrieben. In vielen Großstädten Chinas sind  Atemmasken im Straßenbild nichts außergewöhnliches. Der hohe weltweite Industriestandard würde es China erlauben eine umweltschonendere Industrialisierung zu betreiben, die aber aus Großmachtbestreben und Profitgier unterbleibt. Wegen des großen chinesischen Absatzmarktes schweigt die Welt dazu und akzeptiert an allen Fronten vorteilhafte Sonderregelungen für China (z.B. Unternehmensgründungen nur zusammen mit einem chinesischen Partner, was zu einem schnellen Abfluss von Know-how nach China führt).

Die Frage sei erlaubt, ob das am häufigsten verwendete  Pro-Kopf-Kriterium beim CO2-Ausstoß die richtige Messlatte darstellt?  Es berücksichtigt nicht das Wirtschaftlichkeitsprinzip der Opportunitätskosten wonach das Kapital dorthin fließen sollte wo es den größten Nutzen bringt, in diesem Fall die größte CO2 Reduktion pro Kapitaleinheit. Es erlaubt andererseits aufstrebenden Entwicklungsländern vorzeitliche, umweltverachtende Industrien zu etablieren mit denen man wegen geringerer Kapitalkosten gutes Geld zu Lasten der Umwelt verdienen kann. Die vorindustrielle Manchester-Zeit sollte jedoch lange passé sein.

Welche Kriterien zur Beurteilung der Angemessenheit der Treibhausgasemission eines Landes verwendet werden sollten, ist nicht leicht zu beantworten. Es lohnt sich aber hier weiteren Hirnschmalz reinzustecken. Die heutigen „Fair Play“ Kriterien scheinen noch nicht der Weisheit letzter Schluss zu sein. Das heute alles dominierende pro Kopf Kriterium sollte zumindest durch einem

gewichteten Mix aus folgenden Kriterien ersetzt werden:

  • CO2 Emission pro Kopf der Bevölkerung
  • CO2 Emission pro Einheit des Bruttoinlandsprodukt
  • Reale gemessene CO2 Emission in der Luft der größten Städte eines Landes.

Ohne Berücksichtigung der letzten beiden Kriterien kommt es zu umweltpolitischen Fehlsteuerungen, einem falschen Kapitaleinsatz und zu einer nicht den realen Bedingungen entsprechenden Wahrnehmung der Umweltverhältnisse eines Landes.

Der nächste Artikel befasst sich mit der Verkehrspolitik.