Zum Jahresende ist die Bundesregierung ein gutes Stück auf dem Weg zu einem kernenergiefreien Land vorangekommen. Ob es am Ende tatsächlich eine Erfolgsgeschichte sein wird, entscheidet sich letztendlich am Erfolg oder Misserfolg der Energiewende. Am 31.12.2019, dem gesetzlich erlaubten letzten Betriebstag wurde das Kernkraftwerk Philippsburg 2,KKP2, mit einer elektrischen Leistung von 1468 Megawatt endgültig abgeschaltet, ein Kraftwerk welches in der jährlichen Stromproduktion seit vielen Jahren zu den besten Anlagen der Welt gehört. Seit der ersten Stromeinspeisung am 17. Dezember 1984 hat das Kernkraftwerk jährlich rund 10 Milliarden Kilowattstunden und in 35 Jahren insgesamt über 375 Milliarden Kilowattstunden Strom produziert und so Baden-Württembergs gesamten Strombedarf zu etwa ein Sechstel bzw. den der privaten Haushalte zu etwa zwei Drittel Jahr für Jahr gedeckt.
Die nächsten Kernkraftwerks-Stilllegungen mit je drei Anlagen und insgesamt 8540 Megawatt Leistung erfolgen Ende 2021 und Ende 2022. Um die Stromproduktion dieser insgesamt sieben CO2- freien Kernkraftwerke mit rund 10 000 MW Leistung und einer CO2 Vermeidung von rund 70 Millionen Tonnen pro Jahr durch Windenergiekraftwerke zu ersetzen sind rund 13 500 150 Meter hohe 3 Megawatt Windanlagen notwendig. Damit ist das Problem der Ersatzstrombeschaffung jedoch nicht gelöst, da der Flatterstrom der Windanlagen, mit in jedem Jahr mehrere Tage völliger Stromeinstellung gegenüber dem Grundlaststrom aus den dann abgeschalteten Kernkraftwerken minderwertiger Natur ist. Der Qualitätsausgleich kann nur durch einen zusätzlichen Bau von Gaskraftwerken in gleicher Leistungshöhe der abgeschalteten Kernkraftwerke, oder durch Stromlieferverträge aus unseren Nachbarstaaten erfolgen.
Die politische Resonanz zur Stilllegung von KKP2 war in Berlin, dem nach China größtem Parlament der Welt, bei der grünen Regierung in Baden-Württemberg und in Presse und Rundfunk verhalten. Bis auf ein paar grüne Veteranen, örtliche Bürgerinitiativen und Statements von wenigen Bundestagsabgeordneten keine Spur von Jubelfeier, wo man doch seinem Ziel so nahe ist. Die Gründe für diese Zurückhaltung liegen auf der Hand, liegen am zunehmenden Zweifel am Erfolg der Energiewende.
1. Der nukleare Ausstiegsrausch ist in Deutschland verflogen. Dem damals naiv geglaubten neuem deutschen Vorzeigeprojekt einer Energiewende ohne Kernenergie ist niemand auf der Welt gefolgt.
2. Bei der Umsetzung der Energiewende ist Ernüchterung eingetreten. Die vollmundigen politischen Versprechen hinsichtlich Kosten und technische Realisierbarkeit haben sich als Kuckucksei für die Bevölkerung erwiesen. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz, EEG, belastet den Strompreis der Bürger mit mehr als 30 Milliarden Euro pro Jahr. Die Errichtung neuer Anlagen und neuer Stromtrassen kommt nur in Schneckentempo voran.
3. In der Bevölkerung formiert sich zunehmend Widerstand gegen die brachiale Energiewende, gegen neue gigantische Windanlagen, gegen neue Stromtrassen, gegen Monokulturen für Bioanlagen und gegen die Zerstörung von Natur und Artenvielfalt. In mehr als 1000 Bürgerinitiativen lehnen immer mehr Menschen die Auswirkungen der Energiewende, wie der Verschandelung und Zerstörung von Natur in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft, wie die Hinnahme gesundheitlicher und psychischer Belastungen durch Geräusche, Frequenzen und Schattenwurf, sowie die Wertminderung ihres Eigentums ab. Alles was Politik, Medien und Lobbyisten in ihrer fanatischen Euphorie bislang bewusst unter den Teppich gekehrt haben wird Zunehmens von kritischen Bürgern hinsichtlich ihres Nutzens für Mensch und Natur hinterfragt.
4. Die Realisierung der politischen Ziele zur CO2 Einsparung sind mit dem derzeitigen Energiekonzept der Regierung mehr als unsicher. Deutschland ist vom angeblichen Vorzeigeland zum Hinterbänkler degradiert. In der CO2 Freisetzung pro Kopf der Bevölkerung liegt Deutschland mit rund 11 Kg weit höher als der Durchschnitt der EU mit 8,8 Kg, oder Frankreich, Italien, Großbritannien, Spanien zwischen 7 bis 8 Kg (aktuelle BMU Info, Bezug auf E 2017).

Mit der Stilllegung von KKP2 sind drei interessante Fragen verbunden. Wie schafft es Baden- Württemberg eine so große Strommenge von 10 Mrd. KWh pro Jahr zu ersetzen, wieviel hochradioaktiver Abfall ist in der Lebenszeit des Kraftwerks angefallen und was geschieht mit den radioaktiven Abfällen die beim Rückbau des Kraftwerks anfallen? Letztere Fragen sind wegen ihrer technischen Natur leicht und eindeutig zu beantworten, die Antwort auf den Stromersatz ist politisch brisant und wurde deshalb auch nur verschleiert gegeben.
Zur Stromdeckung Baden-Württembergs ohne KKP2 sagte der grüne Umweltminister Franz Untersteller „Diese Menge müssen wir ersetzen. Das gelingt durch einen Maßnahmenmix aus Stromimport, Erzeugung durch erneuerbare Energien und Netzausbau.“ Unpräziser geht es wohl nicht und Hans-Josef Zimmer, Vorstand des Energieversorgers EnBW ergänzte „Wir sind überzeugt, dass wir noch eine gewisse Zeit auch Kohlekraftwerke und mittelfristig Gaskraftwerke brauchen, um zuverlässig jeden Tag 24 Stunden lang Elektrizität liefern zu können“. Schon vor der Stilllegung von KKP2 bezog Baden-Württemberg erhebliche Strommengen aus dem Ausland und der Anteil wird nunmehr kräftig steigen. Mittelfristig gibt es in Deutschland keinen Ersatz zumal auch Deutschland schon Stromimporteur ist. Nach einer staatlich beauftragten Studie „Versorgungssicherheit in Süddeutschland bis 2025 – sichere Nachfragedeckung auch in Extremsituationen?“ ist Baden-Württemberg, wie auch Deutschland insgesamt in deutlichem Umfang auf Stromimporte aus Nachbarländern angewiesen. Die Studie kommt interessanterweise zu dem Schluss, dass gegenüber früheren Studien sich insgesamt die Versorgungssicherheit etwas verbessert hat. Sie führt dies darauf zurück, dass Frankreich und Polen ihre Kern- und Kohlekraftwerke länger laufen lassen als früher geplant. Im Umkehrschluss heißt dies, dass sich unsere ausländischen Nachbarn bereits darauf einstellen nach Deutschland vermehrt Kohle- und Kernenergiestrom gegen gute Bezahlung zu liefern. Sie glauben nicht an den Erfolg der Energiewende sehen aber, dass sich für sie daraus ein gutes Geschäft ergibt. Kommt es so, wofür vieles spricht, wird immer mehr schmutziger und gefährlicher deutscher Strom, so wie ihn unsere Politphantasten ja bezeichnen, gegen noch schmutzigeren und gefährlicheren ausländischen Strom mit einem satten Aufpreis getauscht, den die deutschen Stromabnehmer zu zahlen haben. „Der Import von Strom wird steigen“, so ein Sprecher des BW-Umweltministeriums – sei es aus anderen Bundesländern, aus Frankreich oder Österreich. Bereits 2018 wurde Strom in etwa der Menge eines Atomkraftwerks importiert. Importierter französischer Strom besteht zu 72 % aus Kernenergie. Der für die Versorgungssicherheit verantwortliche Netzbetreiber TransnetBW hat vorsorglich Strombezugsmaßnahmen ergriffen, so dass für Baden-Württemberg kein Stromengpass droht. Die deutsche Politik kann sich glücklich schätzen, sie ist ihrem ideologischen Ziel der Kernenergiefreiheit nach dem Nimby – not in my backyard – oder Sankt-Florians-Prinzip unter Verschlechterung der CO2-Gesamtbilanz für Europa ein Stück näher gekommen.

Der hochradioaktive Abfall wird auf dem Kernkraftwerksgelände auf dem sich ein Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente für 152 Castoren befindet gelagert. Gemäß Atomgesetz ist dies Zwischenlager, wie bundesweit 12 weitere, in der Verantwortung des Bundes, der Gesellschaft für Zwischenlagerung. Im Lager befinden sich aktuell 62 Castoren mit bestrahlen Brennelementen, 33 mit Brennelementen aus dem Siedewasserreaktor KKP1 und 29 aus dem Druckwasserreaktor KKP2. 40 weitere Castoren werden für die in den Kernkraftwerken noch befindlichen Brennelemente benötigt. Darüber hinaus sind fünf Castoren für die aus der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague noch zurückzunehmenden hochradioaktiven Glaskokillen vorgesehen. Damit werden im Zwischenlager Philippsburg aus beiden Kraftwerken KKP1 und KKP2 insgesamt 107 Castoren gelagert und zwar solange bis der Bund das in seiner Verantwortung zu errichtende Endlager in Betrieb genommen hat, nach heutiger Zielsetzung in etwa 2050. Die Menge angefallenen hochradioaktiven Abfalls ist mit ca. 2 Castoren / Betriebsjahr und Reaktor für eine so große Energiemenge sehr klein und die gute Nachricht ist, dass in ganz wenigen Jahren Finnland und Schweden Deutschland demonstrieren werden können, wie ein Endlager für solche Abfälle im Einklang mit der Bevölkerung errichtet und betrieben werden kann.

Der Rückbau des Kraftwerks bis zur grünen Wiese wird nach Auskunft des Betreibers EnBW etwa 10 bis 15 Jahre dauern. In einem Reststoff- Bearbeitungszentrum auf dem Kraftwerksgelände werden anfallende radioaktive Abfälle auf ein Minimum reduziert und dann in einem Abfalllager zwischengelagert (ca. 4200 Tonnen) bis das für solche Abfälle vorgesehene Endlager KONRAD vom Bund in Betrieb genommen worden ist. Rund 98 % der Gesamtmasse des nuklearen Teils eines Kernkraftwerks können nach Erwartung von EnBW und Erfahrungen anderer Betreiber frei von jeglicher Radioaktivität auf Deponien entsorgt werden. Nur rund 2 % müssen als radioaktiver Abfall in ein Endlager verbracht werden.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze, Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth und Bundestagsabgeordnete Sylvia Kotting-Uhl, beide Grüne, äußerten sich zur Stilllegung von KKP2 in gewohnter angstmachender Weise zur Gefährlichkeit von Radioaktivität, zu hohen technische Herausforderungen und hohen Kosten. Ihr Wissenstand scheint in den 80er Jahren hängen geblieben zu sein. Wahrscheinlicher ist jedoch bei den Äußerungen eine politische Instrumentalisierung der Bürger, sie weiterhin zu verdummen und zu verängstigen, den Angstpegel der Deutschen vor Radioaktivität hoch zu halten. Zwischenlagerung von Brennelementen, Stilllegung von KKW, Abfallmanagement von Bauschutt und radioaktiven Materien gehört seit vielen Jahrzehnten zum allgemeinen Industriestandard. In Deutschland und der Welt sind zig Kernkraftwerke und Forschungsreaktoren bis zur grünen Wiese rückgebaut worden.

Was die Furcht der Deutschen mindern könnte sind betriebsbereite Endlager, ein Endlager für hochradioaktive Abfälle und noch wichtiger, da die Massen größer sind, ein Endlager für schwachradioaktive Abfälle, KONRAD. Genau das aber bewerkstelligt die Politik nicht, obwohl seit Anbeginn der Kerntechnik die Errichtung und der Betrieb von Endlagern eine staatshoheitliche Aufgabe ist. Der Staat hat hier seit Jahrzehnten versagt, oder wollte versagen um die Unlösbarkeit der Endlagerfrage offen zu halten. Deutschland ist das einzige Land der Welt, welches festgelegt hat auch schwachradioaktive Abfälle in tiefe geologische Formationen einzulagern. Weltweit gilt hier der Standard einer oberflächennahen Lagerung. Die Entscheidung Deutschlands ist ok, wenn man sie nur umsetzen würde, aber das Missmanagement scheint hier noch größer zu sein als beim Bau des Berliner Flughafens. Vor Jahrzehnten wurde ein Eisenerzbergwerk KONRAD in der Nähe von Salzgitter ausgewählt. Nach seinem Umbau sollten bereits 1982 Abfälle in Strecken in Tiefen größer 800 Meter eingelagert werden. Mit immer neuen Anforderungen, dem Aufzeigen von immer neuen Herausforderungen gelang es dem seinerzeit zuständigem Bundesamt für Strahlenschutz trickreich die Inbetriebnahme immer weiter zu verschieben. Auf der Informationsseite der nunmehr zuständigen Bundesgesellschaft für Endlagerung, BGE wird jetzt das Jahr 2027 als Betriebsbeginn genannt. Oh armes Deutschland, man glaubt es kaum für die Herrichtung eines Endlagers für schwachradioaktive Abfälle in einem bestehenden Bergwerk benötigen bundesdeutsche Behörden rund 50 Jahre, etwas was in vielen Ländern der Welt mit Kernenergie in wenigen Jahren und zu Bruchteilen der deutschen Kosten vollzogen wird. Die Folge ist, dass alle radioaktiven schwachaktiven Abfälle aus Forschungsstätten, Kernkraftwerken inklusiv deren Abriss, Industrie und Medizin in vorhandenen und noch zu errichtenden oberirdischen Lagern gelagert werden müssen, anstatt sie unmittelbar nach ihrem Anfall sicher endzulagern.
Dazu ein Textauszug aus der Informationsseite der BGE:
„Wird jetzt auch alles teurer? Wer muss das eigentlich bezahlen?
Ja, das Endlager Konrad wird teurer. Aktuell betragen die geschätzten Gesamtkosten für die Errichtung des Endlagers Konrad 4,2 Milliarden Euro. Die Steigerungen zu den vorherigen Schätzungen gehen nicht nur auf die vom TÜV Rheinland prognostizierte längere Errichtungsdauer, sondern auch auf zusätzliche Leistungen wegen angepasster Bauabläufe zurück. In den 4,2 Milliarden Euro sind nicht die Erkundungs- und Planungskosten von 930 Millionen Euro enthalten, die von 1977 bis 2007 angefallen sind. Die Finanzierung richtet sich nach dem Anteil an den zu entsorgenden Abfällen und erfolgt zu etwa 60 Prozent aus dem von den Energieversorgungsunternehmen im Zuge des Atomausstiegs finanzierten Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung und zu circa 35 Prozent aus Steuermitteln (für Abfälle der EWN und der Forschungsreinrichtungen). Der Rest (circa fünf Prozent) entfällt auf private Abfallverursacher, wie zum Beispiel die Brennstoffproduktion in Deutschland. Möglichen Mehrkosten stehen Einsparungen in der Betriebsphase gegenüber, die durch eine Verkürzung der Einlagerungszeit erzielt werden können.“
Hierzu lasst sich nur noch sagen, eine maßlose Verschwendung von Geld, dass in Bildung und Infrastruktur besser angelegt wäre. In den 80er Jahren wurden vom Bund Kosten für KONRAD von rund 1 Mrd.€ genannt, 2010 waren es schon 2,6 Mrd.€ und heute geht der Bund von Gesamtkosten von rund 5 Mrd.€ aus.
https://www.bge.de/de/konrad/themenschwerpunkte/themenschwerpunkt-fertigstellung-des-endlagers-konrad/fragen-und-antworten/
https://de.nucleopedia.org/wiki/Liste_von_Endlagern