Teil 1 Finanzsystem und Finanzmärkte
Hat Deutschland eine starke, schwache oder womöglich eine fremdbestimmte Demokratie? Mit Blick auf unsere Verfassung, die ein verlässliches Fundament unseres demokratischen, werteorientierten und sozialen Rechtstaates darstellt und unter Würdigung der fast 70. jährigen Erfolgsgeschichte des Grundgesetzes ist die Bundesrepublik eine starke Demokratie. Entsprechend wird wohl der Tenor im Bundestag zu den Feiern zum 70. Geburtstag des Grundgesetzes im Mai nächsten Jahres ausfallen. Zu erwarten ist aber, dass es aufgrund veränderter Machtverhältnisse im Bundestag und zunehmender Demokratiekritik aus der Bevölkerung nicht ganz so unbeschwert wie in den Jahrzehnten zuvor von statten geht. Fragen nach dem, wieso konnte der rechte Flügel so stark werden, wieso gibt es auf der linken Seite großen Unmut und zunehmende Gewalt und wieso schmelzen die Prozentsätze der beiden großen demokratischen Parteien seit vielen Jahren unaufhaltsam wie Butter in der Sonne dahin, stehen im Raum. Nach der letzten Sonntagsumfrage zur Bundestagswahl am 12. Februar kommen CDU und SPD gemeinsam nur noch auf lumpige 46 % (CDU 29,5%, SPD 16,5%) der Wählerstimmen, eine katastrophale Abstrafung durch die Bürger die damit ihren Überdruss über das unendliche Taktieren und die Vorteilssuche bei der Regierungsbildung zum Ausdruck bringen. In jeder halbwegs gut geführten Unternehmung würde bei einer solchen Bilanz die gesamte Führung schon längst geschasst worden sein und man würde sich wieder auf sein Kerngeschäft konzentrieren. Das scheint im Politikbetrieb, bei den Parteien und im Parlament nicht möglich zu sein, da zunehmend die politische Aufgabe des Dienens für die Demokratie durch das Bestreben um Macht und Vorteilsnahme überlagert wird, womit sich die Spirale der Demokratieverdrossenheit weiterdrehen wird. Die Matadoren Merkel, Schulz und Seehofer stehen für diese Entwicklung Pate, junge Politiker werden von den „Alten“ an der kurzen Leine geführt.
Nach dieser allgemeinen Feststellung zur momentanen Demokratieverfassung, soll der konkreten Frage aus dem globalen Wirtschaftsleben nachgegangen werden, ob unsere demokratisch gewählte Regierung im Rahmen ihres Regierungshandelns wehrhaft genug und jederzeit in der Lage ist alle Wirtschaftssubjekte einschließlich die Geldversorgung durch Gesetze, Regeln und Rahmenbedingungen so zu steuern, dass keine unzulässig hohen Bedrohungen entstehen können in deren Folge es zu großen wirtschaftlichen und politischen Instabilitäten kommen kann? Also Ereignisse die eine starke Rezession auslösen können mit entsprechend hoher Arbeitslosigkeit, Firmen – und Privatinsolvenzen, oder Ereignisse die zu einer inflationären Geldentwertung mit hohen Vermögensverlusten führen können. Die Antwort darauf ist kein erwartungsmäßiges eindeutiges ja, sondern ein erschreckend klares nein.
Die politische Steuerung unseres sozialen Marktwirtschaftssystems zeigt zunehmend Schwächen die sich darin äußern, dass die Politik auf einige volkswirtschaftliche Bereiche praktisch keinen Einfluss mehr hat. So entziehen sich das Finanzsystem, also das Zusammenspiel von Banken, Versicherungen, Hedgefonds, Währungsfonds, Private Equity etc., und teilweise auch der Finanzmarkt (Geld, Wertpapiere, Kredite, Devisen) und die Geldpolitik der Zentralbanken zunehmend der politischen Steuerung und der demokratischen Kontrolle. Die Kräfteverhältnisse haben sich völlig verschoben und vor den sogenannten Finanzmärkten, der Finanzmacht zittert die Politik. Ausdruck dieser Angst sind seit der weltweiten Finanzkrise bis heute allseits gängige Aussagen von Landes-, Bundes-, und Europapolitikern wie, wir müssen die Finanzmärkte in den Griff bekommen, wir müssen Auffangnetze für neue Finanzkrisen spannen, die Finanzmärkte werden nervös wir müssen gegensteuern, Finanzmärkte beginnen wieder gegen Länder zu spekulieren und so weiter und so weiter. Die Politik hat sich Jahrzehnte lang gemein mit den Finanzmärkten gemacht, sie immer weiter dereguliert, sich ihre Schuldenpolitik finanzieren lassen und hat sich so in eine erschreckende Abhängigkeit begeben.
Spätestens mit Beginn der Immobilienkrise in den USA in 2007 in deren Folge es ab 2008 aufgrund der weltweiten Streuung und Weitergabe von versteckten Anlagerisiken in Finanzprodukten und Subprime- Krediten (nicht erstklassige Hypothekenkredite) zur Hypothekenkreditkrise, Anleihekrise , Bankenkrise und schließlich zur allumfassenden Finanzkrise mit für einzelne Staaten systemrelevanten Staatsrisiko kam, ist in Deutschland jedermann bewusst, dass unser Staat, ja ganz Europa, das Geschehen an den Finanzmärkten nicht mehr im Griff haben. Zur Beruhigung der Bevölkerung und zur Vermeidung eines Bankenruns wurden damals von der Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Finanzminister Peer Steinbrück Appelle an die Bevölkerung gerichtet Ruhe zu bewahren und ein Versprechen zur Sicherheit des Gesparten auf den Konten abgegeben. Bedarf es eines noch deutlicheren Zeichens eines vollkommenden Kontroll- und Machtverlustes der Politik, ja ganzer Staaten gegenüber der Macht des Geldes?
Um den Zusammenbruch der Wirtschaft und um politische Turbulenzen zu vermeiden wurden in aller Eile die Schäden der durch einen Turbokapitalismus, durch maßlose Banker- Gier und maßlose Boni- Systeme in den Bankrott gewirtschaftete Großbanken von Staaten mit dem Geld der Bürger gerettet. Nach Schätzung der Europäischen Zentralbank wurden dafür in Europa 475 Mrd. € aufgebracht. Dem deutschen Steuerzahler kosteten die Rettungsaktionen 236 Mrd. €. Ungeschoren kamen die verantwortlichen Banker des Finanzcrash davon. Die Banken wurden nicht, wie in allen anderen Industriezweigen üblich entsprechend dem Insolvenzrecht abgewickelt und bei grob fahrlässigem Handeln die Verantwortlichen verurteilt. https://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/04/05/banken-rettung-kostet-deutsche-steuerzahler-236-milliarden-euro/
Nach dieser gewaltigen Steuerverschwendung, die den Bürgern von Angela Merkel wieder und wieder als alternativlose Banken-, Euro- und Staatsrettung verkauft wurde und in deren Folge sich die Partei „Alternative für Deutschland“ gründete, wurde versprochen das Finanzsystem neu zu regulieren und die Finanzmacht der Jongleure in Banken, Versicherungen, Hedgefonds, Private Equity etc. so zu begrenzen und das System so umzustellen, dass bei erneuten Schieflagen von Banken keine Steuergelder mehr zur Rettung, oder Abwicklung von Banken eingesetzt werden müssen. Banken- und Eurorettungspakete sollten der Vergangenheit angehören und die Hochfinanz sollte gezähmt werden.
Mit der Festlegung eines höheren Eigenkapitalanteil in den Banken, der Schaffung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM in 2012 zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit der Euro-Länder bei zeitweiligen Finanzierungsproblemen (Stammkapital 700 Mrd. €, davon 80 Mrd. € Bareinlagen, Deutschland Stimmrecht und Haftungsanteil 27,1 %) und der 2014 gegründeten Europäischen Bankenunion zur Finanzmarktaufsicht, Sanierung und Abwicklung von Banken ist man ein gutes Stück vorangekommen.
Ob damit in Zukunft wirklich neue steuerfinanzierte Euro- und Bankenrettungspakete vermieden werden können ist jedoch stark zu bezweifeln, da erstens, wie in Europa mittlerweile üblich selbst gesetzte Regeln nicht eingehalten werden (2017 wurden die spanische Bank Banco Popular, die italienischen Banken Monte dei Paschi, Banca Veneto und die Banca Populare di Vicenza insolvent. Trickreich hat die EZB die Einstufung zur Systemrelevanz verändert, so dass die Staaten mit Steuergeldern einspringen konnten) und zweitens bei den neuen Maßnahmen die bisherige Grundphilosophie, Bankenrettung vor Abwicklung und Insolvenz, nicht geändert wurde. Auch ist die systemrelevante Macht von Banken und großen Kapitalfonds nicht gebrochen worden. Man spielt weiterhin das Spiel des Banken- und Euro- Rettens über große steuerfinanzierte Geldtöpfe, jedoch mit dem Unterschied zu früher, dass man diesmal schon vorher den Topf bereits mit Milliarden von Steuergeldern gut gefüllt hat.
Warum gelingt es der Politik in Deutschland und der europäischen Union nicht das Finanzsystem durch Gesetzesvorgaben und Regeln so radikal zu verändern und zu stabilisieren, dass ihr Handeln und ggfs. Scheitern für Staaten nicht mehr systemrelevant werden kann? Man kann auch die Frage so stellen, was entmachtet demokratische Staaten, Regierungen Parlamente, Abgeordnete so sehr, dass sie sich vor den Karren der Hochfinanz, der Finanzelite spannen lassen?
- Warum trennt man nicht wieder die Universalbanken in Geschäftsbanken mit überschaubaren Geschäften der Geldannahme und Vergabe von Krediten und damit geringem Risiko und Investmentbanken mit weitaus höheren Risiken im Derivatehandel, mit Finanzprodukten, Finanzspekulationen Hebelprodukten etc. und lässt dann Investmentbanken Pleite gehen, wenn sie sich verspekuliert haben? (Trennung wurde nach der großen Depression in den 30er Jahren eingeführt und im Rahmen der Bankenderegulierung ab den 70er Jahren wieder abgeschafft). Das Geld der allgemeinen Bevölkerung wäre in den Geschäftsbanken davon nicht betroffen. Bei Universalbanken haftet praktisch der Bürger für Spekulationen im Investmentbereich mit und die Banken sind sich sicher, bei Schieflagen immer wieder von der Politik gerettet zu werden. So werden Staaten zu Geiseln, ein zutiefst undemokratische Zustand.
- Warum begrenzt man die max. Größe von Banken nicht auf ein im Falle eines Bankrotts Staatsrisiko irrelevantes Maß? Warum erlaubt man den Banken eine so große Machtkonzentration, wo ansonsten in der Industrie über das Kartellamt höllisch darauf geachtet wird, dass keine zu große marktbeherrschende Stellung entstehen kann? Im Bankensystem duldet man dagegen eine Staaten beherrschende Machtkonzentration. So hatte z.B. die Deutsche Bank 2016 einen Derivatebestand von unglaublichen 46 Billionen €, dass 17 fache der gesamten jährlichen deutschen Wirtschaftsleistung, bzw. 4 fache der europäischen Leistung. Liegt hier eine völlige Inkompetenz, Hilflosigkeit, oder Manipulation der politischen Führungsebenen vor? https://www.focus.de/finanzen/experten/weik_und_friedrich/deutsche-bank-bei-einer-pleite-droht-finanzkrise-von-unvorstellbarem-ausmass_id_6005098.html
- Warum wurde und werden gerade bei systemrelevanten Banken Regel- und Gesetzesbrüche durch lügen, betrügen, manipulieren (Bildung krimineller Kartelle, Manipulationen von Zinsen / Libor, Manipulation von Währungskursen und Edelmetallpreisen, Verkauf bewusst versteckter Risiken in Derivate, etc., etc.) nicht schneller und stärker geahndet und warum gibt es bei Verurteilungen fast immer nur Geldstrafen, oft in hohen Millionen Summen, ja Milliarden, aber keine Haftstrafen wegen Betrugs und Insolvenzverschleppung? So ist beispielhaft die Deutsche Bank in mehr als 7000 Prozesse verwickelt und hat bereits mehrere Strafen in Milliardenhöhe gezahlt. Geldstrafen jucken die Verantwortlichen nicht, letztlich werden sie durch die Bankkunden und Aktionäre gezahlt, wobei Boni und Spekulationsgewinne der Banker meistens davon nicht betroffen sind. Sind die Bankenaufsichten zu schwach, oder zu nachsichtig, oder befangen?
- Warum schafft man die Steueroasen, besser ausgedrückt die Steuerparadiese nicht endlich ab? Wie kann es sein, dass Bürger und kleine Unternehmen immer gläserner gemacht werden und auf Cent genaue Staatssteuertreue getrimmt werden, wohingegen große Unternehmen in Steueroasen, auch in Europa (z.B. Kanalinseln Guernsey und Jersey, Malta, Madeira, Niederlande, Irland etc. ), Steuern in Milliardenhöhe vermeiden, bzw. gar keine Steuern zahlen? Warum lässt man dieses Schmarotzertum zu? Warum werden nicht die Kartell-, Wettbewerbs- und Steuergesetze in Deutschland und der EU insgesamt entsprechend geändert? Was haben deutsche Großunternehmen in Steueroasen zu suchen, warum bietet man ihnen solche Steuerschlupflöcher? Warum ist Peter Altmaier, Finanzminister, mit den gemachten Fortschritten in Europa zufrieden? https://www.welt.de/wirtschaft/article171304135/EU-prangert-Steueroasen-an-nur-nicht-die-eigenen.html
- Warum hat sich auch nach der Veröffentlichung der sog. Paradise Papers mit Namen von 1000senden von Steuerhinterziehern nichts geändert. Ein Schulterzucken und der Hinweis darauf, dass im Wesentlichen legale Möglichkeiten der Steuergesetze in „Oasenländer“ ausgeschöpft wurden. Warum wurde kein Gesetz in Deutschland und Europa geschaffen, dass die Nutzung von Briefkastenfirmen in Steueroasen untersagt? Warum wird nicht gesetzlich festgelegt, dass die Firmen in dem Land ihren vollen Steuersatz zu zahlen haben, wo sie ihre Wertschöpfung mit der Kraft der dort ansässigen Bevölkerung produzieren. Die Misere des Steuervermeidens kommt paradoxerweise sehr schön in der öffentlichen Kritik dass weltweit bekanntesten Multi- Milliardär, Warren Buffet, an den Amerikanischen Senat zum Ausdruck, bei dem er sich darüber beschwerte, dass seine Sekretärin und alle anderen Angestellten in seinem Büro prozentual auf ihr Gehalt erheblich mehr Steuern zahlen als er als Milliardär und diese Beschwerde war noch vor dem großen Steuersenkungspaket von Donald Trump.
All diese Fragen ohne Antworten lassen nur den Schluss zu, dass unser Staat und auch Europa in relevanten Bereichen keine wehrhafte Demokratie sind, da sie anscheinend zu schwach sind die für die langfristige volkswirtschaftliche Entwicklung wirklich relevanten Entscheidungen im Finanz-, Steuer-, und Bankensystem und damit im Wirtschaftsleben durch Gesetzgebung und Rahmenvorgaben so zu gestalten, dass die Risiken dieser Systeme auf ein hinnehmbares Maß reduziert werden. Die Politik ist nicht mehr Herr des Geschehens. Investmentbanken arbeiten wie superspekulative Hedgefonds mit großen Hebeln hoch spekulativ zum Teil zur privaten Bereicherung und laden die Risiken auf den Staat den Steuerzahler ab und international tätige Großunternehmen zahlen im Gegensatz zu Staatsbürgern und kleineren Unternehmen keine, oder kaum Steuern. Diese vom Staat geduldeten Verhältnisse schüren bei den Bürgern immer mehr Zweifel an unserem Gesellschaftssystem und untergraben langfristig die Legitimität unseres Staates, also unsere Demokratie, da sie wehrlos erscheint.
Wir haben hier ein krankes System der Hochfinanz, des Geld-, Finanz,- und Industrieadels einschließlich deren Lobbyisten, die Entscheidungen der Politik zu ihrem Vorteil wesentlich mitbestimmen. Die wirklich wichtigen Entscheidungen werden in einigen Bereichen unserer Volkswirtschaft nicht im Parlament getroffen sondern durch die Macht des Geldes bestimmt. Insofern haben wir in diesen Bereichen keine Demokratie sondern eine Scheindemokratie, oder besser gesagt eine Plutokratie, nämlich eine Herrschaft des Geldes. Die Auswirkungen dieser Plutokratie auf die Gesellschaft sind eine
- zunehmende Kapitalanhäufung bei wenigen Menschen und eine Vermögensumverteilung von unten nach oben. http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/vermoegen-45-superreiche-besitzen-so-viel-wie-die-halbe-deutsche-bevoelkerung-a-1189111.html
- zunehmende Einkommensumverteilung und damit Zunahme der Ungleichheit in der Gesellschaft. Die Einkommensverteilung ist heute in Deutschland so wie vor 100 Jahren. http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/einkommensverteilung-deutschland-ist-so-ungleich-wie-vor-jahren-1.3791457
- immer schnellere Bildung von Spekulationsblasen mit den damit verbundenen Gefahren von großen Wirtschaftskrisen.
Wahrscheinlich wird das kaputte Finanzsystem und die sich austobenden Finanzmärkte neue schwere Finanz-, Euro-, und Staatskrisen hervorbringen. Wo sind die politischen Maßnahmen von Deutschland und Europa dies zu verhindern?
Der zweite Teil befasst sich mit dem „demokratischen Verhalten“ der Europäischen Notenbank.